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Ackern macht Freude

Herr Dr. Fehse, bevor Sie zur WALA kamen, haben Sie als Kommunikationswissenschaftler gewirkt, davor eine eigene Agentur-Gruppe geleitet, davor bei einem großen Handelsunternehmen die Werbung verantwortet, davor als Texter gearbeitet. Gibt es eine Verbindung von so unterschiedlichen Aufgaben zu Ihrer Arbeit bei der WALA?

Kai Fehse:

Zwei sogar: Freude. Und Freiheit. Im Blick zurück scheint mir die Freiheit zu gestalten, zu forschen, auszuprobieren, auch mal zu scheitern, immer das Wichtigste gewesen zu sein. Meine ersten beiden Chefs waren Unternehmensgründer, die sich höchst erfolgreich die Freiheit genommen hatten, die Gesetze ihrer jeweiligen Branche konsequent zu missachten. Und die gleiche Freiheit haben sie dann ihren Junioren gegeben. Bei der WALA haben sich Rudolf Hauschka und Elisabeth Sigmund auch „als Rebellen gefühlt“. Sie haben eine Unternehmenskultur geprägt, die auf die Eigenverantwortung des Individuums baut, was sicher auch mit einem anthroposophischen Impuls zu tun hat. „Lege Vertrauen in jegliches Tun“ heißt es in der WALA. Nicht weil das so nett ist. Sondern weil es betriebswirtschaftlich Sinn macht. Freiheit setzt einfach viel mehr Energie frei als Ordnung und Gehorsam.

Gilt das auch im Bereich von Werbung und Verkauf?

Kai Fehse:

Ja, klar. Gerade da. Wir haben erst neulich wieder in die Zahlen gesehen. Unser Werbebudget beträgt nur einen Bruchteil dessen, was selbst die kleineren unserer Wettbewerber ausgeben. Wir wollen durch Ideen und einen eigenständigen Weg auffallen, wir versuchen es nicht über Geld. Zumal die Suche nach der eigenen Art von Werbung ja nur konsequent ist. Viele Pflanzenauszüge stellen wir mit enormem Aufwand ohne Alkohol her. Unsere Arzneimittel sind so anders, die werden dafür teils sogar angegriffen. Da wäre es doch verrückt, ausgerechnet in der Werbung mit dem Strom zu schwimmen. Zumal unsere Gründer ebenso wie unsere Kundschaft ein Leben eint, in dem die Natur eine große Rolle spielt. Aber eben auch das Kreative, die Gestaltung, die Kultur.

Der Begriff Kultur stammt aus dem Lateinischen und bedeutete ursprünglich „Ackerbau“. Wie viel „ackern“ Sie für die WALA?

Kai Fehse:

Eher wenig, wenn Sie an den Knecht denken, der sich die ganze Woche schindet, um am Sonntag tanzen gehen zu dürfen. In der WALA sind wir alle freie Bauern, wir haben keine „Shareholder“ für die wir uns knechten. Wir arbeiten ausschließlich für unsere Mitmenschen. In der Firma, in der Kundschaft, auf dem Planeten. Dazu kommt, dass ich einfach riesen Glück mit meinem Beruf habe: Mir persönlich war die Arbeit immer Leben, ich brauche keine „Work-Life-Balance“. Ich hatte noch nie Hobbys oder auch nur einen Fernseher. Und einen Ausschaltknopf habe ich erst, seit ich Kinder habe. Deren zeitlicher Anteil an meinem Leben wird jetzt pedantisch verteidigt. Deshalb freut es mich, dass die WALA viel Verständnis für Führungskräfte hat, die auch zu Hause „ackern“ möchten.

Klingt nach einer freiheitlichen, zeitgemäßen Firma, nicht nach einem betulichen schwäbischen Pharmaunternehmen. Hat so ein Unternehmen wie die WALA nicht auch eine konservative Seite?

Kai Fehse:

Und wie. Aber das macht es ja so interessant. Wir versuchen hier jeden Tag das Überlieferte mit dem Kommenden zu verbinden. Wir legen das Alte um das Neue, immer wieder. Unsere Arzneimittel gibt es seit 1935, zum Teil unverändert, und wir waren 1967 die Pioniere der Naturkosmetik. Das ist ein solcher Schatz an Rezepturen, an Prozesswissen, aber auch an Haltung, an Marke, den darf man nur behutsam anfassen. Unser Logo, unsere Packung, ja selbst unser Anzeigen-Layout wurde von meinen Vorgängern nie richtig umgeschmissen. Das ist ein großes Glück, weil jede neue Werbeleitung üblicherweise sofort alles verändert. Und damit alles zerstören kann.

Warum dann ein neues Ressort, wenn Sie eigentlich alles beim Alten lassen?

Kai Fehse:

Weil wir viel, viel intensiver darüber sprechen müssen, was unsere Kolleginnen und Kollegen hier Wunderbares tun, seit vielen Jahrzehnten. Gerade für unsere so nischige, aber potenziell globale Premium-Kosmetikmarke brauchen wir die digitalen Kanäle, die sozialen Medien. Wir mussten in kurzer Zeit für Deutschland und unsere internationalen Töchter Webshops errichten, das hat man lange nicht für sinnvoll gehalten. Wir berichten heute live aus unserem Heilpflanzengarten, das war früher ein geheimer Ort. Ihre Bescheidenheit, vielleicht auch Verschlossenheit haben die WALA lange unter Wert verkauft. Hollywood ist auch eher zufällig auf unsere Dr. Hauschka Kosmetik aufmerksam geworden. Und die WALA selbst, unsere so spannende, ungewöhnliche Stiftungsunternehmung, hat schon immer einen zivilgesellschaftlichen Auftrag – aber erst seit kurzem eine inhaltliche Homepage, die wala.world. Inzwischen haben auch unsere Arzneimittel einen eigenen Instagram-Account. Mich freut das sehr, wenn ich daran denke, mit welch berechtigter Skepsis ein ehrlicher Laden wie der unsere dem Thema Werbung begegnet.

Ihr Ressort übernimmt nicht nur die Kommunikation für die WALA, sondern auch das Produktmanagement der Kosmetik. Was ist Ihre Vision, was sind die Ziele für das Marketing von Dr. Hauschka?

Kai Fehse:

Marketing im Wortsinne wird es bei Dr. Hauschka nie geben. Wir erfinden keine kurzfristigen Visionen, uns trägt eine langfristige Mission. Wir produzieren nicht für „Markets“, sondern für Menschen. Deshalb brauchen wir auch kein Market-Research, sondern ernsthafte medizinische Forschung. Wir wollen der Haut wirklich helfen. Es interessiert uns nicht, dass wir mit einer Männerlinie viel Geld verdienen könnten, wenn sie kosmetologisch keinen Sinn macht. Wir vermarkten kein Anti-Aging, weil das schlicht eine Lüge wäre. Und wir werden auch in Zukunft mehr als 30 Rosen in eine Tube stecken, selbst wenn wir die Rosencreme mit einer einzigen Blüte darin genauso verkaufen könnten. Da sind wir tatsächlich sture Ackerbauern, nicht schlaue Marketingleute. Wer möglichst viele Schokoriegel verkaufen will, kann den Markt fragen, wie viel Zucker da rein soll. Aber wer Karotten anbaut, der bekommt genau so viel Zucker, wie die Natur eben will. Unser Auftrag ist es, die Karotten so gut zu „kultivieren“, wie es nur geht. Und dann mutig und laut davon zu erzählen, wie lecker sie sind.

Verzichten Sie damit nicht auf eine Menge Umsatz?

Kai Fehse:

Langfristig eher im Gegenteil. Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass der Mensch an sich, und damit auch die globale Kundschaft, immer mündiger und kritischer wird. Wenigstens ein Teil davon. Und wenn wir es schaffen, 0,01 Prozent der Menschheit für unseren ungewöhnlichen Ansatz zu begeistern, haben wir den Umsatz glatt verdoppelt. Da wäre es dann schon schwer, Rohstoffe in unserer Qualität zu bekommen. Nein, es gibt genug Marken, die in die Breite gehen, die mit TV-Werbung um den Massenmarkt kämpfen. Wir bleiben bei unseren Fähigkeiten, bei unseren Werten. Das hat die WALA immer ausgezeichnet, das wurde von Stiftung und Geschäftsleitung vor einigen Jahren nochmals schriftlich festgelegt. Wir müssen in der Werbung eben etwas weiter ausholen, etwas differenzierter argumentieren. Auch wenn das mühsamer ist als die eine laute Kampagne mit geflunkertem Slogan. Stimmt, im heiß umkämpften Naturkosmetik-Markt hat so eine kleine, aufrechte Marke wie Dr. Hauschka ganz schön zu ackern. Aber, wie gesagt: Das macht uns Freude.

Vielen Dank für das Gespräch.