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1986 wurde die WALA in eine Unternehmensstiftung überführt. Durch die Neutralisation des Kapitals hat das Stiftungsunternehmen eine wirtschaftliche und soziale Unabhängigkeit erlangt, die ein Handeln frei von privaten Eigentümerinteressen ermöglicht.
Wirtschaft soll den Menschen dienen, Gewinn kein Selbstzweck sein. Das ist einer der Grundsätze bei der WALA. Die von Dr. Rudolf Hauschka im Jahre 1935 gegründete Firma wurde vor über 35 Jahren in eine nicht gemeinnützige Unternehmensstiftung überführt. Denn schon ihr Gründer war davon überzeugt, dass Unternehmertum immer auch mit Verantwortung verknüpft ist. Erwirtschaftete Gewinne stehen für die Zukunftsgestaltung eines Unternehmens zur Verfügung oder werden an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgeschüttet. Dr. Philip Lettmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung der WALA Heilmittel GmbH, kann ein gesundes Umsatzwachstum vorweisen – auch ohne Investoren an Bord zu holen oder Umwelt und Mitmenschen ausbeuten zu müssen: „Wir leben in einer globalen Wirtschaftskultur, in der die Gewinnmaximierung trotz vieler gegenteiliger Beteuerungen die treibende Kraft bleibt. Aber wir wissen schon lange, dass das Ziel der Gewinnmaximierung für die massive Schädigung der Umwelt sowie die Ausbeutung von Millionen von Menschen weltweit verantwortlich ist.“
Möglichkeiten, Verantwortungseigentum wahrzunehmen
Das Modell, über das die WALA Verantwortungseigentum wahrnimmt – schon lange bevor der Begriff überhaupt aufkam –, ist das einer Einzelstiftung. Das heißt, die Stiftung hält 100 % der Anteile (Gewinn- und Stimmrechte) des Unternehmens. Verantwortungseigentum hat zwei Prinzipien: Selbstbestimmung und Vermögensbindung. Selbstbestimmung heißt, verbindlich sicherzustellen, dass die Firma langfristig der Unternehmensidee dienen kann. Vermögen und Gewinne zu binden wiederum bedeutet, das Kapital frei für die Unternehmensentwicklung zu halten. Während große Unternehmen oft die nötigen Ressourcen haben, Stiftungslösungen umzusetzen, ist dies für Start-ups und Unternehmen des Mittelstands teuer und kompliziert. Sie bedürfen daher anderer Lösungen.
Ein Weg, den sich das Start-up your.company UG ausgesucht hat, ist das Veto-Anteil-Modell. Eine Stiftung hält 1 % der Stimmrechte und das Recht, gegen einen Unternehmensverkauf oder Satzungsänderungen, die die Trennung von Stimm- und Dividendenrechten unterminieren, ein Veto einzulegen. your.company arbeitet an der Company-Sharing-Lösung. Das bedeutet, das Start-up bietet die Unternehmensinfrastruktur, um ein einzelnes Produkt von der Idee bis hin zur Marktreife und zum Lebensende hinaus, entwickeln und anschließend vertreiben zu können. Mitgründer Kalle Bendias war dabei von vornherein klar, dass die Firma sich selbst gehören soll: „Wir haben uns gefragt, wie das Unternehmen der Zukunft aussieht und für den Menschen so gestaltet werden kann, dass es seine Bedürfnisse deckt.“ Die Firma sollte nicht aufgekauft – um dann einem ganz anderen Zweck zu dienen – oder durch das eigennützige Gewinnstreben Einzelner kaputt gemacht werden können.
Die Frage nach dem Wie und dem Warum
Die Stiftung, die dieses eine Prozent der Anteile bei your.company hält, ist die Purpose Stiftung. Sie setzt sich mit ihrer Arbeit für eine Wirtschaft ein, die den Menschen, der Gesellschaft und der Umwelt dient. Der Hebel dafür ist Verantwortungseigentum. Christoph Bietz, verantwortlich für die Kommunikation bei Purpose, erzählt, was die Unternehmenden antreibt, ihre Firma in Verantwortungseigentum zu führen: „Eine Motivation ist es ganz sicher auch, zu einem Wandel in der Wirtschaft beizutragen.“ Gerade viele Start-ups wie your.company wollen die Welt ein Stückchen besser machen und zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Kalle Bendias steht mit vielen Jungunternehmern in Kontakt und kennt deren und auch seine eigene Motivation. „Ich stelle fest, dass viele der Gründer und Gründerinnen einen tieferen Sinn in ihrer Arbeit suchen.“ Er nimmt wahr, dass Nachhaltigkeit, Klimawandel und Frieden Themen sind, die viele als Jugendliche und Heranwachsende sehr beschäftigt haben: „Heute geht es vielen nicht mehr darum, so viel Geld wie möglich zu machen, sondern darum, welche Werte man in seinem Handeln vertritt.“
Eine andere Motivation, Verantwortungseigentum zu schaffen, vor allem im Mittelstand, ist oft die Frage der Unternehmensnachfolge. Immer weniger mittelständische Unternehmer finden Nachfolger in der eigenen Familie. Christoph Bietz kennt auch ihre Sorgen. „Viele sagen: ‚Ich will nicht, dass mein Unternehmen irgendwann verkauft oder zerschlagen wird. Ich will, dass es weiter langfristig Bestand hat.‘“ Bei einem Verkauf ginge das Unternehmen möglicherweise in die Hände von Investoren, die dessen Werte nicht teilen oder nur an einem gewinnbringenden Weiterverkauf interessiert sind. Verantwortungseigentum ist dann eine Option, die Nachfolge im Sinne der Gründer zu regeln.
Meilenstein für Verantwortungseigentum
Um diesem zukunftsweisenden Unternehmenstypus eine Stimme zu geben, haben sich Unternehmen wie die WALA und auch your.company in der Stiftung Verantwortungseigentum zusammengefunden. Sie setzt sich für die neue Rechtsform einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen ein. Auch in der Politik hat das Verlangen nach einer neuen Art zu wirtschaften mittlerweile Anklang gefunden. Die neue Bundesregierung der Ampelparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP will eine neue Rechtsform für Verantwortungseigentum, auch treuhändisches Eigentum genannt, einführen. „Zu einer modernen Unternehmenskultur gehören auch neue Formen wie Sozialunternehmen oder Gesellschaften mit gebundenem Vermögen“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag.
Die Formulierung „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ verweist dabei auf den Vorschlag für eine neue Rechtsform für Verantwortungseigentum. „Ob die neue Rechtsform im nächsten Jahr, im übernächsten oder erst in drei Jahren umgesetzt wird“, da ist sich Kalle Bendias sicher, „Unternehmen werden Wege finden.“ Er wünscht sich, dass es in fünf Jahren neben der gGmbH, der GmbH und vielen weiteren Unternehmensformen auch das Unternehmen mit gebundenem Vermögen gibt. Unternehmen, die sich selbst gehören und einem Zweck dienen und damit die Mitarbeiter, die Nachhaltigkeit oder einfach die Sinnhaftigkeit in den Vordergrund stellen, würden dann zum Standard. Christoph Bietz sieht großen Bedarf: „Es gibt ganz viele, die das machen wollen, aber derzeit nicht so leicht umsetzen können. Sie brauchen die neue Rechtsform dringend .“ Auch Philip Lettmann hat eine Zukunftsvision, die durch Verantwortungseigentum in Erfüllung gehen kann: „Eine neue Haltung zu der Art und Weise, wie wir wirtschaften, wird es uns ermöglichen, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und ökonomischen Wohlstand gleichzeitig zu erreichen.“
TEXT: Daniel Wagner