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Herr Zimmermann, Sie sind Parfümeur für die Naturkosmetikmarke der WALA: Dr. Hauschka. Eine Tätigkeit, die sich nicht so einfach in Worte fassen lässt. Schließlich können wir Düfte weder sehen noch hören oder gar anfassen …
Das stimmt. Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir ganz Auge und Ohr sind. In der Welt lassen wir uns ein Stück weit von starken Bildern und lauten Tönen führen, die uns umgeben.
Genauso sind wir überall von Düften umgeben, die wir oft aber nur unbewusst aufnehmen – einfach weil wir atmen. Wir können jedoch sehr viel über einen Duft verstehen, wenn wir bewusst auf ihn achten. Und darauf, welche Persönlichkeit der Duft hat.
Düfte haben eine Persönlichkeit?
Ich arbeite mit natürlichen Stoffen, mit ätherischen Ölen, die aus Pflanzen destilliert sind. Daher spiegeln sie in gewisser Weise Wesen und Willen der Pflanzen wider. Wenn ich also einen neuen Duft gestalte, gestalte ich ein neues Wesen. Und damit eine Persönlichkeit, die über den Duft hinaus mit uns kommuniziert.
Als Parfümeur ist es also Ihre Aufgabe, den Cremes, Lotionen und Körperölen von Dr. Hauschka eine Ausdrucksmöglichkeit, also gewissermaßen eine Stimme, zu schenken?
Ja, und zwar eine authentische. Naturkosmetik ist immer noch ein riesiger Trend, es kommen ständig neue Marken hinzu. Als Pionier mit vielen Jahrzehnten Erfahrung wollen wir uns ganz deutlich von der Menge abheben. Das geht nur, wenn wir authentisch sind, einen einzigartigen Weg gehen. Wer unsere Kosmetik riecht, soll sofort erkennen: „Das ist Dr. Hauschka.“
Wie gelingt es Ihnen, den Produkten diesen typischen „Dr. Hauschka Duft“ zu geben?
Wenn ich einen Duft formuliere, kreiere ich ein Wesen, das die Natur so nicht erschaffen hätte, weil jede Pflanze nur ein ätherisches Öl bildet. Weil ich aber immer mit mehreren ätherischen Ölen arbeite, habe ich die Möglichkeit, bestimmte Aspekte zur Erscheinung zu bringen. Für jede Komposition setze ich Kopf-, Herz- und Basisnoten ein.
Kopfnoten sind unmittelbar und dynamisch, zum Beispiel Zitrone oder Bergamotte. Herznoten wirken auf die Herzregion und sind formgebend, etwa Rose oder Lemongrass. Die schwereren Basisnoten hingegen, wie Vanille oder Tonka, werden im unteren Bauchbereich wahrgenommen. Durch das gelungene Zusammenspiel der einzelnen Duftnoten entsteht
ein ganzheitliches Erlebnis.
Parfümeur Jörg Zimmermann schenkt Cremes, Lotionen und Ölen von Dr. Hauschka ihren einzigartigen Duft.
Wir riechen also nicht nur mit der Nase?
Die Nase ist das „Tor“ zur Welt der Gerüche. Sie atmet die Luft aus der Umgebung ein, wobei die aufgenommenen Duftmoleküle Energieimpulse an das limbische System senden. Das ist jener sehr alte Teil im Gehirn, der für die Verarbeitung von Gefühlen zuständig ist. Es sitzt als Gefühlszentrum aber nicht nur in der Mitte des Kopfes, sondern verläuft direkt über die Wirbelsäule bis in den unteren Leib. Daher kommt es, dass wir während der Duftwahrnehmung auch eine Ausrichtung auf körperlicher Ebene erfahren können.
So sprechen zum Beispiel die warmen, umhüllenden Noten des Mandel Körperbalsams eher unsere introvertierte und sinnliche Seite an. Ein zitrischer Duft wie bei der Duschcreme mit Zitrone und Lemongrass zeigt sich dagegen unmittelbar und direkt.
Können Sie denn immer ganz exakt festlegen, welche Duftsprache die Produkte sprechen? Und wie sie von einem Menschen, der sie aufträgt, empfunden und verstanden werden?
Parfümeure bilden zu allen Duftstoffen persönliche Assoziationen. Je vertrauter der Stoff wird, umso besser wird das Gefühl für ihn. So kann ich intuitiv einschätzen, wie lange ein Stoff riecht und wie er sich mit der Zeit verändert. Mit dieser Ahnung kann ich rein aus der Vorstellung heraus einen Duft kreieren und „vorfühlen“, wie er einmal sein wird. Es geht darum, das Wesentliche aus der Erinnerung zum Vorschein zu bringen und durch die ideale Form zu vermenschlichen. Wenn ich mich der Sache ganz hingegeben habe, verkörpert das Ergebnis einen Archetypus, der von vielen Menschen gleichermaßen erlebt werden kann.
Heißt das, Sie persönlich geben die Duftrichtung vor?
In Wahrheit drücke ich mich so aus, wie es meine Natur vermag. Natürlich muss ich mich am Produkt orientieren, um herauszufinden, wo es sich einzuordnen hat. Wichtig ist der Kontext innerhalb der Produktgruppen, die Vorstellung, dass die Produkte aufeinander aufbauen und eine eloquente Sprachführung verkörpern. Jedes einzelne Produkt braucht eine Persönlichkeit, die alles das offenbart, was es kann, wobei der ästhetische Mehrwert und die Freude am Produkt nicht zu kurz kommen dürfen. Schließlich gehen wir mit dem
Produkt eine enge Beziehung ein, die unser Leben bereichern soll. Nehmen wir beispielsweise unser neues Zirbelkiefer Meersalz Reinigungsgel. Die tonisierende Körperreinigung aktiviert Körper und Geist, stärkt die Tagpräsenz. Daran orientiere ich mich und überlege, wie sich diese Aussage in Duft übersetzen lässt. Außerdem schaue ich mir an, wie sich das Produkt anfühlt und wie die Inhaltsstoffe riechen. So passe ich den Duft immer weiter an.
Entsprechend habe ich zur aus dem Hochgebirge stammenden Zirbelkiefer weitere Stoffe eingesetzt, die für Stärkung und Kühle sorgen, wie beispielsweise Rosmarin und Eukalyptus.
Können Sie uns verraten, wie Sie aus diesen vielen unterschiedlichen Duftnoten einen einzigen, harmonischen Duft komponieren?
Bei meiner Arbeit schöpfe ich aus der ganzen Fülle der Natur. Wenn wir in die Natur gehen, empfinden wir Glück, das geht vermutlich jedem so. Wir werden angeregt, weil unsere Seele unmittelbar mit der Natur verbunden ist. Das Erleben beim Riechen, die Übergänge und Zwischentöne wahrzunehmen – und zwar möglichst fein–, ergänzt uns auf wohltuende Weise. Und weil unsere Seele selbst Teil der Natur ist, mögen wir komplexe Dinge. Daher glaube ich, dass es eine Rolle spielt, möglichst differenzierte Düfte anzubieten. Wenn die Düfte von Kopf bis Basis ineinander übergehen und uns in ihrem Ineinanderfließen mitnehmen, fühlen wir uns wohl.
Das klingt toll. Nur schade, dass selbst das schönste Riecherlebnis irgendwann endet und der Duft verfliegt …
Das stimmt, natürliche Düfte sind ständig in Bewegung. Am Ende waren es viele bewegte Bilder, die uns in ihrer Verwandlung eine Idee erleben ließen, bevor sie langsam wieder aus der Wahrnehmung entschwanden. Was schön war, wird vergehen. Aber was in guter Erinnerung bleibt, will wieder erlebt werden. Das ist unsere Sehnsucht. Das limbische System mit all seinen Verknüpfungen sammelt Sinneseindrücke und die damit verbundenen Gefühle und Vorstellungen. Wenn der gleiche Impuls in der Zukunft auftritt, wird alles wieder abgerufen, bis ins Detail. Wir können uns, wenn wir einen einst erlebten Duft wahrnehmen, wieder fühlen wie mit 20, so frisch verliebt. Und das zeigt etwas, das wirklich erstaunlich ist: dass es in uns einen Punkt gibt, der niemals altert.
INTERVIEW: Nadja Reibel