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Das Projekt „AlbLavendel“ erforscht den Anbau von Lavendel auf der Schwäbischen Alb. Getestet werden fünf Lavendelsorten, drei französische und zwei bulgarische.
Foto: Christine Joos
„Länger, heißer, trockener“. Hätten Jahreszeiten Parolen, dies könnte das Motto des neuen deutschen Sommers sein. Angesichts des Klimawandels benötigen heimische Landwirte Alternativen zu Kartoffel, Karotte und Co. Unter der Leitung der WALA-Tochter naturamus läuft derzeit ein Feldversuch zum Anbau von Lavendel auf der Schwäbischen Alb. In einer Region, in der seit einigen Jahren auch die lange von allen Äckern verschwundene Alb-Linse wieder wächst, könnten demnächst duftende Lavendelfelder blühen.
Lavendel auf Schwäbisch
Das Forschungsprojekt „AlbLavendel“ vereint Ideen, Wünsche und Visionen der verschiedenen Kooperationspartner. Etwa das Vorhaben der Uni Hohenheim, belastbare Daten zu erheben über die Kultivierung neuer Sorten, die mit Trockenheit und Sonne gut klarkommen. Oder der regionale Anbau ätherischer Ölpflanzen und die Erweiterung der Verarbeitungstechnologien in der Ölmanufaktur der naturamus. Zuvor gilt es aber, die eine entscheidende Frage zu beantworten: Wird der in Deutschland hauptsächlich als Zierpflanze beliebte Lavendel mit den klimatischen Bedingungen der traditionell etwas raueren Schwäbischen Alb überhaupt warm?
Rund 50.000 Lavendelsetzlinge hat das Projektteam an vier Standorten in die schwäbische Landschaft gepflanzt. Die Auswahl der Ackerflächen bilden die verschiedenen Höhenlagen, klimatischen Räume, Böden und Standortbedingungen der Schwäbischen Alb exemplarisch ab. Getestet werden fünf Lavendelsorten, drei französische und zwei bulgarische, auf hundert Meter langen Streifen. Aus dem Versuchsdesign ergeben sich 45 Streifen Lavendel und eine Anzahl von 12.855 Pflanzen je Standort.
Aller Anfang ist schwer
Die ersten Pflanzungen starteten in der letzten Novemberwoche 2021 und forderten Lehrgeld von den Lavendel-Neulingen. Das Feld nicht fein genug bearbeitet, die Wurzeln zu lang oder zu viel oberirdische Grünmasse: Einige Nacharbeit, jede Menge Geduld und noch mehr Beharrlichkeit waren erforderlich, damit die Setzlinge unversehrt in die Erde kamen. Weil im schweren, steinigen Boden innerhalb kürzester Zeit die Räder der Pflanzmaschine verklebten, waren außerdem Muskelkraft und Feinarbeit gefragt: Die Pflanzmaschine musste zusätzlich von Hand angeschoben werden, während sich weitere zahlreiche helfende Hände geduldig um die Stecklinge kümmerten. Jede einzelne Pflanze wurde sorgfältig angedrückt, um mögliche Lufträume zwischen Wurzeln und Boden zu schließen – beim Winterpflanzen besonders wichtig.
Schon am ersten Tag auf dem Acker wurde deutlich: Zarte Pflänzchen haben keine Zukunft auf der rauen Schwäbischen Alb. Über Nacht fielen die Temperaturen tief und hüllten den frisch gepflanzten Lavendel in eine dicke Reifschicht. Abwarten und auf besseres Wetter hoffen war jedoch keine Option, schließlich mussten auch die restlichen Pflänzchen gesetzt werden. Also trotzte das Projektteam den äußeren Bedingungen und brachte in dichtem Nebel und bei eisigem Wind auch an den übrigen Versuchs-Standorten die Setzlinge in den Boden. Und zwar just in Time: Als alle Pflanzen gesetzt waren, erhielten sie über Nacht eine Decke aus 20 Zentimeter Neuschnee. Bereit für den Winterschlaf.
Bienvenue und Adieu
Wieviel Provence-Potenzial hat die Schwäbische Alb? Und wie schwäbisch kann Lavendel werden? Bienvenue im neuen Jahr. Der Frühling 2022 zeigt, wie die an trocken heißes Klima angepassten Pflänzchen ihren ersten Winter auf der rauen Alb überstanden haben. Schon der erste Blick macht klar: Das Unkraut hat den Lavendel deutlich überwachsen. Nachdem die Reihen freigehackt sind, lassen vor allem die bulgarischen Sorten schöne Blütenansätze erkennen. Insgesamt scheinen sie sich besser zu entwickeln als die aus Frankreich stammenden Setzlinge.
Im Laufe der Wochen und mit steigenden Temperaturen verwandelt sich das raue Wetter der Alb in ein Wohlfühl-Klima für den Lavendel. Inzwischen stehen alle Sorten in zarter Blüte. Doch im ersten Jahr sollen die Pflanzen hauptsächlich gut anwachsen und nicht zu viel Energie ins Blühen stecken. Daher kappt das Projektteam im Frühsommer die meisten Blüten. Adieu, lila Lavendel. Einige Pflanzen dürfen trotzdem ungestört weiterblühen, an ihnen werden im Verlauf des Sommers die Daten für das Forschungsprojekt erhoben.
Ein Jahr „AlbLavendel“
Spektakuläre Höhlen, zerklüftete Landschaften, karger Boden – die Schwäbische Alb und die Französische Provence haben einige Gemeinsamkeiten. Wenn alles klappt, kommt bald eine weitere hinzu: duftende Lavendelfelder. Fürs violette Blütenmeer bis zum Horizont braucht es noch seine Zeit. Aber mit dem Projekt „AlbLavendel“ sind die ersten Schritte bereits getan.
TEXT: Nadja Reibel