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Herausforderung Sonnenblume

Mit ihren sattgelben Blättern, die sich um ihren tellergroßen Blütenkopf ranken, leuchtet sie im Hochsommer von den Feldern: die Sonnenblume. Ihren Namen hat die „Königin des Sommers“ – Symbol der Liebe, Fröhlichkeit und Wärme – einer besonderen Fähigkeit zu verdanken: Sie wendet sich der Sonne zu. Tagsüber folgt die Knospe ihrem Verlauf von Osten nach Westen, in der Nacht dreht sie sich zurück nach Osten.

Wird immer beliebter: Sonnenblumenöl in Bio-Qualität. Aber Achtung: Das Saatgut selbst hat (noch) kein Bio-Siegel.

Beliebtes Superfood

Als die Sonnenblume im 16. Jahrhundert aus Mittel- und Nordamerika nach Europa kam, wurde sie zunächst als Zierpflanze genutzt. Ihr wahres Geheimnis aber steckt im Blütenkopf, in den Samen – den Sonnenblumenkernen. Sie enthalten die geballte Kraft der Sonne und sind eine echte Energiequelle, ein Superfood. 100 Gramm Kerne enthalten 41,5 Gramm ungesättigte Fettsäuren und 38 Milligramm Vitamin E. Das entspricht mehr als dem doppelten Tagesbedarf eines erwachsenen Mannes und mehr als dem dreifachen Tagesbedarf einer erwachsenen Frau.

Das ebenso nährstoffreiche Sonnenblumenöl ist als Grundnahrungsmittel und Hauptenergieträger für die Gesundheit von fundamentaler Bedeutung. Es wird aus den Kernen gepresst und ist vielseitig verwendbar – beim Braten, Kochen und für Salate, im Arzneimittelbereich und in der Kosmetik. Da wundert es nicht, dass Sonnenblumen-Saatgut längst ein Massenrohstoff geworden ist. Weltweit werden heute jährlich fast 50 Millionen Tonnen geerntet. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Natur und den Biolandbau.

Oligopol Saatgutmarkt

„Der Saatgutmarkt konzentriert sich heute auf zwei bis drei multinationale Agrarkonzerne, die ausschließlich für den Massenmarkt geeignete, nicht nachbaufähige Hybride züchten. Auch Biolandwirte müssen darauf zurückgreifen, denn der Markt gibt derzeit nichts anderes her“, sagt Herbert Völkle, Geschäftsführer der Schweizer Getreidezüchtung Peter Kunz (GZPK). Die spezialisierte Züchtung von Hybriden habe auch eine rasante Abnahme der Sortenvielfalt zur Folge.

Ergo: Auch Biolebensmittelhersteller und die Naturkosmetikbranche müssen derzeit auf Hybride ausweichen. Weil der Einsatz von Chemie im Biolandbau nicht erlaubt ist, müssen die Saatgutkonzerne noch vor der chemischen Beize rund 20 Tonnen ihres Sonnenblumensaatgutes für Biolandwirtschaftsbetriebe reservieren. Das deckt den Saatgutbedarf der etwa 5.000 ha Öko-Sonnenblumenfläche in Deutschland. „Das entspricht unter zehn Prozent des Gesamtaufkommens, also mehr einer Nische“, so Völkle. Häufig sei daher am Saatgutmarkt eine Verknappung zu verzeichnen.

Netzwerk für biologische Züchtung

Um sich von diesem Angebot zu lösen, haben sich 2012 zehn langjährig am Markt tätige Bio-Unternehmen aus dem Öl- und Sortenbereich in der „Initiative Biosaatgut Sonnenblumen (IBS)“ zusammengeschlossen – Züchterinnen und Züchter, Erzeugergemeinschaften, Verarbeiter und Handelsfirmen. Zu den aktiven Partnern dieses zukunftsweisenden Netzwerkprojektes gehören auch die WALA und ihre in der Rohstoffbeschaffung tätige Tochterfirma Naturamus GmbH.

In Zusammenarbeit mit der GZPK sollen nachbaufähige „High Oleic (HO)“-Sorten entstehen, die sich an die Anbaubedingungen des Biolandbaus anpassen und ausreichende Erträge sichern. HO-Sorten zeichnen sich durch einen hohen Ölgehalt in der Saat, einen hohen Ölsäuregehalt im Öl und eine stabile Pflanzengesundheit aus.

„Entlang der Wertschöpfungskette machen sich hier Partner für eine gemeinsame Sache stark, die in Teilen Wettbewerber sind. Das ist schon bemerkenswert“, sagt Maria Tippmann, Mitarbeiterin im Einkauf Öle und Wachse bei der Naturamus. „Aber heute muss man in Kooperationen denken. Nur so können nachhaltige Lieferketten entstehen.“

Vorteile der HO-Sonnenblumensorten

HO-Sonnenblumensorten sind vor allem für die Naturkosmetik- wie für die Biolebensmittelbranche interessant. Ihr Ölsäureanteil von über 78 Prozent ist ernährungsphysiologisch günstig. Der hohe Gehalt an einfach ungesättigter Ölsäure gibt dem Öl eine hohe Stabilität gegenüber Licht und Wärme. Sonnenblumenöl ist ein Basisöl in der Küche und wird stark nachgefragt. In der Kosmetik wird es gern als Basisöl für Lotionen und Duschöle eingesetzt.

Der Versuchsanbau bei der Naturamus startete zunächst an drei Standorten – mit vielversprechenden Ergebnissen. Seit 2019 ist der WALA-eigene Demeter-Betrieb „Sonnenhof“ unweit der Unternehmenszentrale in die Praxisforschung des biodynamischen Züchtungsprojektes eingebunden.

Abenteuer biodynamische Züchtung

„Im ersten Schritt versuchen wir größtmögliche Vielfalt zu erreichen, im zweiten Schritt selektieren wir“, erklärt Völkle. Was einfach klingt, stelle sich in der Praxis als komplexe Herausforderung dar. „Sortenentwicklung aus Hybriden ist ein Abenteuer. Es gibt viele Parameter, die das Ergebnis beeinflussen. Am Standort interagieren die Genetik und die individuellen Bedingungen vor Ort. Auch jetzt können wir noch Überraschungen erleben.“

In diesem Jahr geht der Versuchsanbau mit den Sortenkandidaten an deutlich mehr Standorten in die nächste Phase. Partner der Bio-Saatgutinitiative bringen Vorschläge für Anbaugebiete in den Ländern ein. So organisiert auch Naturamus die Anbauerinnen und Anbauern vor Ort. Die Züchter gehen nun folgenden Fragen nach: Wie ist die agronomische Eignung der Sorte? Gedeiht sie gut – auch bei Kälte? Ist ihre Blütezeit homogen? Saatgut für den großflächigen Anbau wird es voraussichtlich erst 2022 oder 2023 geben. „Für Züchtungsprojekte dieser Art braucht man Zeit, Geld und Geduld“, sagt Völkle. „Wir können und wollen die notwendige Zeit in der Öko-Züchtung nicht abkürzen. Aber wir sind auf dem Weg.“

Weitere Informationen:
www.gzpk.ch
www.gzpk.ch/kulturen/sonnenblumen

Initiative Biosaatgut Sonnenblumen (IBS):
All Organic Treasures, Bioland Handelsgesellschaft, Byodo Naturkost, Dreher Agrarrohstoffe, Fenaco, Huober Brezel, Naturata, Rapunzel Naturkost, Wala Heilmittel, Weleda