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Im Rhythmus des Lebens: Pirkko Ollilainen

Pirkko Ollilainens tiefes Verständnis für die anthroposophische Therapierichtung, sowie ihre langjährige Führungserfahrung waren ausschlaggebend sie 2017 in den Vorstand der WALA Stiftung zu berufen.

Ein Gespräch mit Pirkko Ollilainen ist ein Erlebnis. Die Heileurythmistin und anthroposophische Therapeutin strahlt eine Ruhe aus, die man nur bei Menschen findet, die mit sich im Einklang sind, und man wird das Gefühl nicht los, dass sie einen durchschaut hat, bevor man überhaupt ein Wort von sich geben konnte. Manchmal fällt es schwer, ihr zu folgen, da jedes präzise gewählte Wort wie das wichtigste wirkt und die Gedanken auf ganz neue Wege bringt. 1954 wurde Pirkko Ollilainen im kleinen Nurmes an der finnischen Grenze zu Russland geboren. Heute bereist sie als gefragteste Sprecherin zum Thema Eurythmie die ganze Welt, behandelt Patient:innen mit den unterschiedlichsten Leiden und ist seit 2017 im Vorstand der WALA Stiftung tätig. Menschen ganzheitlich helfen zu wollen treibt sie an. Im Interview erzählt Ollilainen über ihren Weg zur anthroposophischen Medizin, innere Stärke und die Wesenhaftigkeit des Lebens.

Ihr Weg zur anthroposophischen Medizin

„Als Jugendliche habe ich in einem Sommercamp für schwerbehinderte Kinder gearbeitet. Dort gab es eine über achtzigjährige Therapeutin, die Eurythmie mit ihnen praktiziert hat. Ich war begeistert, wie die Kinder sich plötzlich bewegen und ausdrücken konnten. Da war mir klar, dass ich das auch lernen will. Ich habe in meinem Studium und meiner Arbeit lernen dürfen, dass alles im Leben eine Frage der Integrität ist und wie komplex menschliche Wesen sind. Wenn mir heute Menschen gegenübertreten, ist es wie ein Kriminalfilm. Ich stelle viele Fragen, um das Wesen der Person zu finden. Die sehr individuellen Ursachen für ihre Probleme werden dann sehr individuell behandelt.“

Über ihre Beziehung zur WALA

„Ich war viele Jahre als Therapeutin und in der Eurythmie in der Filderklinik tätig, davon über 25 Jahre in der Klinikleitung. Wir haben Pionierarbeit geleistet und einen Weg gefunden, wie man anthroposophische Medizin in den allgemeinmedizinischen Alltag einbringt. Vor Jahrzehnten lernte ich auf einer Tagung den anthroposophischen Arzt Dr. Heinz-Hartmut Vogel kennen, langjähriger Leiter der medizinischen Abteilung in der WALA und Gründungsmitglied der WALA Stiftung, der mich zu Eurythmie-Kursen in die WALA eingeladen hat. So begann meine Beziehung mit der WALA. 2017 wurde ich in den Vorstand der WALA Stiftung berufen.“

Über ihren Antrieb

„Einerseits geht es in meiner Arbeit darum, die vier Entitäten, die man in jedem Menschen findet, wieder in Gleichklang zu bringen. Wie integriert man die stofflich-materielle Entität mit den Lebenskräften, dem Seelisch-Emotionalen und dem Geistig-Individuellen der Menschen? Natürlich sieht das bei jedem Menschen anders aus. Andererseits war mein Schwerpunkt schon immer die anthroposophische Menschenkunde in Bezug auf therapeutische und medizinische Anwendungen, aber auch in der Produktherstellung. Der Fokus der Wirkprinzipien liegt nicht nur auf den physischen, materiellen Aspekten, sondern geht stark auf das Lebendige im Menschen ein.“

Über innere Stärke

„In der anthroposophischen Weltanschauung ist die innere Stärke geschlechtsneutral. Starke Persönlichkeiten, Männer und Frauen, die gestalten können, prägen das Weltgeschehen. Heutzutage funktionieren viele aber nur. Wir müssen wieder lernen, uns selbst kennenzulernen, uns selbst zu vertrauen, um authentisch in der Welt zu wirken. Und wir müssen lernen, die kleinen Dinge im Leben zu schätzen. Wenn man sich gut fühlt und sich seiner inneren Stärke bewusst ist, kann man etwas weitergeben.“

Über das Sich-treu-Bleiben

„Eine ehemalige Patientin bekam mit 21 Jahren ein tödliche Krebsdiagnose. Sie begann all das zu tun, was sie immer schon machen wollte, und hörte auf, sich von ihren Eltern alles vorschreiben zu lassen. Der Tumor begann wenig später zu schrumpfen. Als ich sie Jahre später wiedersah, sagte sie: ‚Ich muss mir heute immer noch treu bleiben. Wenn ich zu viel daran denke, was alle anderen wollen, dann verliere ich mich.‘ Sich verlieren bedeutet, sich ein Stück fremd werden, und das ist eine Gefahr für den Körper. Wenn ich nicht auf mich achte, werde ich mir fremd und Krankheiten können entstehen.“

Über Individualität

„Es wird oft gesagt, dass alles im Gleichklang sein muss. Es gibt heute kaum Platz, darüber nachzudenken, was man eigentlich wirklich will, obwohl wir Milliarden Individuen sind. Doch wenn in einem Orchester alle die gleiche Note spielten, wäre das todlangweilig. Die unterschiedlichen Töne ergänzen sich und so entsteht etwas Einzigartiges.“

Über die Wesenhaftigkeit des Lebens

„Die Welt besteht auf Wesenhaftigkeit. Es gibt ein Prinzip von Rudolf Steiner, auf das ich mich immer beziehe. Ich frage mich: Was ist das Wesen? Wie offenbart es sich? Wie wirkt es und was ist das Resultat? Dieser Leitfaden ist immer und überall anwendbar. Manchmal, wenn ich leerlaufe, besinne ich mich auf das Wesenhafte meiner Arbeit. Wenn ich das vernachlässige, habe ich zwar das richtige Vokabular, um Menschen zu unterhalten, aber bringe ihnen nichts Wesentliches bei. Bin ich mir aber der Wesenhaftigkeit bewusst, offenbaren sich plötzlich ganz andere Aspekte. Dann stehe ich in Seminaren und merke, wie der Inhalt die Zuhörenden belebt. Es geht nicht um mich. Ich bin nur ein Transmitter für einen Inhalt, der sich plötzlich jemand anderem offenbart. Etwas Neues entsteht.“