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Lea Hampel (Süddeutsche Zeitung, Wirtschaftsredakteurin) im Gespräch mit Philip Lettmann (WALA, Vorsitzender der Geschäftsleitung), Rüdiger Veil (Ludwig-Maximilians-Universität München, Juraprofessor) und Katharina Beck (Bündnis 90/Die Grünen, MdB und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion, digital zugeschaltet). Die Expertenrunde traf sich auf Einladung des Salon Luitpold und der WALA in München.
Foto: WALA
Zuerst die Mehrheit, dann das Mitspracherecht und zuletzt die gesamte Beteiligung am Unternehmen zu verlieren – und damit am Ende auch die Idee der Firma: Für viele Menschen, die ein Unternehmen gründen, ist das ein Worst-Case-Szenario. Aufgrund diverser finanzieller Abhängigkeiten im heutigen Wirtschaftsalltag ist es allerdings keine Seltenheit.
Über eine Alternative dazu wird seit einiger Zeit in Politik und Wirtschaft diskutiert. Wie wäre es, eine Gesellschaft ganz ohne externe Teilhabe zu gründen? So wäre das Vermögen gebunden und der Firmenzweck nachhaltig abgesichert.
Manchen ist das Konzept vielleicht besser bekannt als „Verantwortungseigentum“. Gesellschafterinnen und Gesellschafter sollen keine Ansprüche auf Gewinnausschüttung und Liquidationserlös haben. Gewinne werden reinvestiert. Gleichzeitig wird das Vermögen an das Unternehmen gebunden und das Kapital für die Entwicklung freigehalten. Das ist natürlich kein Garant für erfolgreiches Wirtschaften – aber eine Möglichkeit, unabhängiger zu werden und die Verantwortung ausschließlich an Personen zu übertragen, die sich mit dem Unternehmen und seinen Werten verbinden. So wird letztlich auch sichergestellt, dass das Unternehmen langfristig der Unternehmensidee dienen kann.
Gewinn als Mittel zum Zweck
Mittlerweile gibt es rund 200 Unternehmen in Deutschland, die auf unterschiedliche Weise in Verantwortungseigentum geführt werden. Die WALA gehört dazu: Sie wurde bereits 1986 in ein Stiftungsunternehmen überführt. Rudolf Hauschka, der die Firma 1935 gründete, war in dieser Hinsicht Visionär. Für ihn war klar: Gewinn soll immer nur als Mittel zum Zweck dienen. Daran anknüpfend, gründeten die WALA Gesellschafter Karl Kossmann und Heinz-Hartmut Vogel 1986 die WALA Stiftung. Ihr Anliegen: die Zukunftssicherung des Unternehmens. Die wertvollen Rezepturen für die WALA Arzneimittel und die Dr. Hauschka Naturkosmetik sollten nicht an Erben oder Aktionärinnen und Aktionäre, sondern an das Unternehmen gebunden sein.
Die Gedanken, die sich Hauschka, Kossmann und Vogel über die Zukunft der WALA machten, beschäftigen heute auch viele mittelständische Familienunternehmen. Wie kann es gelingen, den Staffelstab zu übergeben, wenn Kinder ihn nicht weitertragen können oder wollen? Auch deshalb hat das Verantwortungseigentum viel Neugier in der Wirtschaft ausgelöst: Den Aufruf für eine Rechtsreform zum Verantwortungseigentum haben über 1.200 Unternehmen unterzeichnet. Und laut einer Allensbach-Studie halten 57 % der befragten Familienunternehmen rechtlich institutionalisiertes Verantwortungseigentum für eine gute Lösung.
Selbstbestimmte Entscheidungen
Aber wieso ist das überzeugende Modell noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen? Ist es vielleicht zu revolutionär? Vielleicht gilt es auch, die Ansprüche etwas herunterzuschrauben. Denn natürlich kann auch ein konventionell organisiertes Unternehmen verantwortlich wirtschaften. Die Befürworterinnen und Befürworter des Verantwortungseigentums behaupten auch nicht, dass ihre Idee automatisch erfolgreiche oder nachhaltige Unternehmen hervorbringt. Im Gegenteil: Es gibt viele Gründe für die übliche Kapitalgesellschaft. Letztendlich geht es um eine weitere sinnvolle alternative Rechtsform. Es geht um die Freiheit der Unternehmen, sich so zu organisieren, wie es dem Unternehmen dient.
Wer den Zweck ihres bzw. seines Unternehmens in solcher Art unabhängig und langfristig sichern will, braucht momentan nicht nur Mut zu einem neuen Weg, sondern auch viel Geduld und Energie. Für die Umsetzung von Verantwortungseigentum sind Unternehmen bisher auf komplizierte Konstrukte und kostenintensive rechtliche Beratungen angewiesen. Die Stiftung Verantwortungseigentum will hier als Unterstützerin agieren. Mitglieder dieser Stiftung sind unter anderem Unternehmen wie die Sonett GmbH, Alnatura und auch die WALA.
Hoffnung macht ein entsprechender Gesetzesentwurf, der der Koalition vorliegt. Ein neuer, nüchternerer und vielleicht auch angemessenerer Begriff ist bereits gefunden: „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“. Die Politik hat, parteienübergreifend, Unterstützung zugesagt.
Über den Salon Luitpold
Im berühmten Münchner Kaffeehaus Luitpold begrüßt Gastgeber Stephan Meier in der Veranstaltungsreihe „Salon Luitpold“ seit mehr als zehn Jahren Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. In angeregten und anregenden Diskussionsrunden geht es um Visionen und Projekte, die Impulse liefern für eine lebendige Gesellschaft.
Das Gespräch in voller Länge sehen Sie hier.
TEXT: Rosa Thomas